Wissen rund um die Praxis

Nachhaltige Praxisgestaltung: Mehr als eine ethische Verpflichtung

Der Klimawandel beeinflusst nahezu alle Lebensbereiche, einschließlich unserer Gesundheit. Steigende Temperaturen und zunehmende Extremwetterereignisse führen zu direkten gesundheitlichen Risiken, die eine Neuausrichtung in vielen Lebensbereichen notwendig machen – auch im Gesundheitswesen. In diesem Kontext gewinnt die nachhaltige Gestaltung von Arztpraxen zunehmend an Bedeutung. Sie trägt nicht nur zur Reduzierung der ökologischen Belastung bei, sondern schützt langfristig die Gesundheit von Patientinnen und Patienten und des Praxispersonals. Eine nachhaltige Praxisgestaltung stellt daher nicht nur eine ethische Verantwortung dar, sondern ist auch ein zentraler Bestandteil einer zukunftsorientierten Gesundheitsversorgung.

Warum ist eine nachhaltige Praxisgestaltung relevant?

Der Klimawandel beeinträchtigt die Gesundheit auf vielfältige Weise, unter anderem durch die Zunahme hitzebedingter Erkrankungen, die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, erhöhte psychische Belastungen sowie durch Engpässe in der Arzneimittelproduktion. Eine nachhaltige Praxisgestaltung ist ein wirksames Mittel, um diesen komplexen Herausforderungen proaktiv zu begegnen. Die Umstellung auf nachhaltige Strukturen und Abläufe in Arztpraxen birgt viele Vorteile, die weit über den Umweltschutz hinausgehen. Dazu zählen etwa Kosteneinsparungen durch einen effizienteren Ressourceneinsatz, eine höhere Patientenzufriedenheit aufgrund einer gesünderen und umweltfreundlicheren Umgebung, die Stärkung des öffentlichen Ansehens durch die sichtbare Übernahme von gesellschaftlicher und ökologischer Verantwortung sowie eine langfristige Förderung der Gesundheit von Patientinnen und Patienten.    

Wege zur nachhaltigen Praxisgestaltung 


Der erste Schritt zur Implementierung einer nachhaltigen Praxisgestaltung besteht in der Entwicklung eines Problembewusstseins hinsichtlich ökologischer Herausforderungen. Als Praxisinhaber oder -inhaberin ist es empfehlenswert, ein tiefgehendes Bewusstsein für die Klimaproblematik zu entwickeln, um sowohl das Praxispersonal als auch Patientinnen und Patienten für nachhaltige Maßnahmen zu sensibilisieren. Dies kann durch die Organisation von Schulungen und Workshops erreicht werden, welche das Nachhaltigkeitsbewusstsein aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie das eigene kontinuierlich erweitern. Die regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls Aktualisierung des Nachhaltigkeitsstandes der Praxis kann als integraler Bestandteil des Betriebs betrachtet werden.    

Ressourcenbeschaffung und -nutzung: Eine nachhaltige Gestaltung der Ressourcennutzung in medizinischen Praxen lässt sich durch den Einsatz energieeffizienter Technologien und wassersparender Maßnahmen positiv beeinflussen. Dazu gehört unter anderem die Nutzung energieeffizienter Geräte und Beleuchtungssysteme (wie LED-Leuchten) sowie wassersparender Armaturen. Je nach örtlichen Gegebenheiten könnten auch Solarpaneele zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen eine gute Option sein. Es kann hilfreich sein, das Praxispersonal im ressourcenschonenden Umgang mit Wasser und Energie zu schulen und Patientinnen und Patienten, zum Beispiel durch Informationsposter, ebenfalls dafür zu sensibilisieren. Auch die Überprüfung der gesamten Lieferkette bei der Beschaffung von Arbeitsmitteln spielt eine Rolle. Hier könnten umweltfreundliche Alternativen bevorzugt werden, die sowohl ökologische als auch soziale Standards einhalten. Dies betrifft nicht nur Büromaterialien, sondern auch Reinigungsmittel und medizinische Geräte. Die Umstellung auf digitale Kommunikationswege, wie etwa die Einführung eines elektronischen Laborkommunikationssystems wie lab@ccess, bietet eine zusätzliche Möglichkeit, den Papierverbrauch zu reduzieren und die Effizienz in der Praxis zu steigern. Dies unterstützt nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern optimiert auch die internen Arbeitsabläufe.

Abfallmanagement: Die Einführung eines Recyclingsprogramms, das Minimieren des Einsatzes von Einwegprodukten und stattdessen die Bevorzugung umweltfreundlicher, wiederverwendbarer Alternativen sind entscheidend für eine nachhaltige Praxisführung. Ein besonders sensibler Bereich ist die sachgemäße Entsorgung von Arzneimitteln. Die Etablierung eines umweltgerechten Rücknahmesystems für abgelaufene oder ungenutzte Medikamente verhindert, dass pharmazeutische Rückstände in die Umwelt gelangen und zu Kontaminationen führen. Zusätzlich ist es von zentraler Bedeutung auch Patientinnen und Patienten über die Wichtigkeit der korrekten Entsorgung von Medikamenten aufzuklären. 

Umweltschonende Medikation: Bei der Empfehlung und Verschreibung von Arzneimitteln ist es entscheidend, auch deren Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen. Dies betrifft sowohl Verpackung und Darreichungsform als auch die Wirkstoffe selbst. Beispielsweise verursachen Dosieraerosole, die hochpotente Treibhausgase wie Hydrofluorocarbole enthalten, bis zu 20- bis 30-mal höhere CO2-Äquivalent-Emissionen im Vergleich zu Pulverinhalatoren. Ein besonders problematischer Wirkstoff mit sehr hohem „Erderwärmungspotential“ ist zum Beispiel Desfluran. Durch die Nutzung von Alternativen wie Sevofluran oder durch den Einsatz von intravenösen Anästhesien (TIVA) können die CO2-Emissionen signifikant reduziert werden. 

Darüber hinaus sollte bei der Auswahl von Arzneimitteln auf deren Toxizität und biologische Abbaubarkeit geachtet werden, um die Belastung von Gewässern durch pharmazeutische Rückstände zu minimieren. In diesem Zusammenhang ist es auch ratsam, den Einsatz topischer Präparate nach Möglichkeit zu vermeiden. Ein erheblicher Anteil der Patientinnen und Patienten wäscht sich direkt nach der Anwendung topischer Arzneimittel die Hände, wodurch die Wirkstoffe über das Abwasser in den Wasserkreislauf gelangen. 

Nachhaltiger Lebensstil: Die Förderung eines nachhaltigen Lebensstils kann im Wartezimmer durch die Bereitstellung von entsprechenden Infomaterialien unterstützt werden. In Konsultationen besteht die Möglichkeit, aktiv auf die gesundheitlichen und ökologischen Vorteile eines umweltfreundlichen Verhaltens hinzuweisen, insbesondere im Hinblick auf eine nachhaltige Ernährungsweise. Zudem können das Praxispersonal sowie Patientinnen und Patienten dazu ermutigt werden, den Weg zur Praxis möglichst umweltfreundlich zurückzulegen, etwa zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Zur Unterstützung empfiehlt es sich, Fahrradparkplätze zur Verfügung zu stellen, vergünstigte ÖPNV-Tickets auszuhandeln sowie Carsharing-Möglichkeiten zu diskutieren. Erinnerungshilfen wie Praxisposter und Checklisten leisten wertvolle Hilfe bei der Integration in einen nachhaltigen Praxisalltag. 

Nachhaltigkeitssiegel: Eine Praxis kann sich als "nachhaltige Praxis" zertifizieren lassen, um ihr Engagement für Klima-, Umwelt- und Menschenschutz sichtbar zu machen. Das Nachhaltigkeitssiegel „Nachhaltige Praxis – Klima. Umwelt. Mensch.“ kennzeichnet Praxen, die besondere Anstrengungen im Bereich der Nachhaltigkeit unternehmen. Es dient als anerkanntes Qualitätsmerkmal und motiviert zur kontinuierlichen Verbesserung nachhaltiger Praktiken. Zudem signalisiert es gegenüber Patientinnen und Patienten, dass ökologische Verantwortung übernommen wird und sich die Praxis aktiv für eine nachhaltige Zukunft einsetzt. Mehr Informationen zum Nachhaltigkeitssiegel bietet der Beitrag Nachhaltigkeitssiegel für Arztpraxen: Ein Schritt in Richtung grüner Gesundheitsversorgung

Fazit

Die nachhaltige Gestaltung der Arztpraxis ist mehr als eine ethische Verpflichtung – sie ist die notwendige Antwort auf die drängenden gesundheitlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Durch gezielte Maßnahmen können Arztpraxen einen entscheidenden Beitrag leisten, um den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. 
 

Referenzen
 

  1. Handbuch Nachhaltigkeit (Folge 7): Das 3x3-Modell für die Praxis  zuletzt abgerufen am 12.11.2024
  2. Tipps für eine Nachhaltige Praxis zuletzt abgerufen am 13.11.2024
  3. Janson C, Henderson R, Löfdahl M, Hedberg M, Sharma R, Wilkinson AJK. Carbon footprint impact of the choice of inhalers for asthma and COPD. Thorax. 2020;75(1):82-84. doi:10.1136/thoraxjnl-2019-213744   
  4. Aerzteblatt: Neue Herausforderungen für die Anästhesie durch den Klimawandel zuletzt abgerufen am 08.11.2024
  5. Aerzteblatt: Gewässerschutz durch weniger Arzneimittelrückstände zuletzt abgerufen am 13.11.2024

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

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