Trotz dieser Erkenntnisse wird Lp(a) in der klinischen Praxis noch immer nicht systematisch bestimmt. Die European Society of Cardiology (ESC) empfiehlt daher eine einmalige Messung im Erwachsenenalter, um Hochrisikopatienten frühzeitig zu identifizieren.
Was ist Lipoprotein(a)?
Lp(a) ist ein Lipoprotein, das strukturell dem Low-Density-Lipoprotein (LDL) ähnelt, jedoch zusätzlich das Apolipoprotein(a) (Apo(a)) enthält. Diese besondere Zusammensetzung verleiht Lp(a) nicht nur cholesterintransportierende Eigenschaften, sondern macht es auch entzündungsfördernd. Die biologische Wirkung von Lp(a) ist komplex und geht über die LDL-Effekte hinaus. Studien zeigen, dass erhöhte Lp(a)-Spiegel mit einer verstärkten Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen assoziiert sind.
- Atherosklerose: Lp(a) kann durch seine proinflammatorischen und proatherogenen Eigenschaften die Entstehung und das Fortschreiten von Gefäßverkalkungen begünstigen.
- Thromboserisiko: Aufgrund seiner strukturellen Ähnlichkeit mit Plasminogen könnte Lp(a) die Fibrinolyse hemmen und somit die Bildung von Blutgerinnseln beeinflussen.
- Aortenklappenstenose: Erhöhte Lp(a)-Spiegel stehen mit einer beschleunigten Verkalkung der Aortenklappe in Verbindung, was das Fortschreiten einer Aortenklappenstenose fördern kann.
Genetische Determination und epidemiologische Bedeutung
Im Gegensatz zu anderen Lipiden wie LDL oder Triglyzeriden wird der Lp(a)-Spiegel nahezu ausschließlich genetisch bestimmt. Lebensstilmaßnahmen wie eine gesunde Ernährung oder regelmäßige Bewegung, die sich positiv auf das LDL-Cholesterin auswirken, haben kaum Einfluss auf die Lp(a)-Konzentration.
Die Lp(a)-Werte in der Bevölkerung variieren stark. Während viele Menschen niedrige Werte aufweisen, haben 10–20 % der deutschen Bevölkerung Konzentrationen über 75 nmol/l (30 mg/dl) – ein Schwellenwert, ab dem das kardiovaskuläre Risiko messbar ansteigt. Personen mit sehr hohen Werten (> 75 nmol/l bzw. > 125 nmol/l) haben ein bis zu vierfach erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Messwerte und ihre BedeutungLp(a)-Konzentration | Bedeutung |
---|
Lp(a) < 75 nmol/l (< 30 mg/dl) | Kein erhöhtes Risiko |
Lp(a) 75-125 nmol/l (30-60 mg/dl) | Grenzwertig; weitere Risikofaktoren beachten |
Lp(a) > 125nmol/l (>60 mg/dl) | Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko |
Wer sollte auf Lp (a) untersucht werden?
Die European Society of Cardiology (ESC) und die European Atherosclerosis Society (EAS) empfehlen, Lp(a) mindestens einmal im Leben zu bestimmen. Besonders wichtig ist dies für:
- Personen mit einer familiären Vorgeschichte früher Herzinfarkte oder Schlaganfälle
- Patientinnen und Patienten mit fortschreitender Arteriosklerose, trotz guter LDL-Werte
- Hochrisikopatienten für kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere postmenopausale Frauen, da der Hormonmangel in der Menopause Lp(a) erhöhen kann
- Patientinnen und Patienten mit chronischer Nierenerkrankung
Trotz dieser Empfehlungen wird die Lp(a)-Bestimmung in Deutschland noch nicht flächendeckend umgesetzt, obwohl Fachgesellschaften und die Deutsche Herzstiftung verstärkt darauf hinweisen.
Neue Therapieansätze in der Entwicklung
Da Lp(a) kaum durch Lebensstilmaßnahmen beeinflussbar ist, konzentriert sich die Forschung auf medikamentöse Therapieansätze. Derzeit sind noch keine spezifischen Medikamente zugelassen, doch neue Wirkstoffe zeigen vielversprechende Ergebnisse:
- Antisense-Oligonukleotide (z. B. Pelacarsen)
- RNA-Interferenz-Technologien (z. B. Olpasiran, Zerlasiran, Lepodisiran)
- Niedermolekulare Inhibitoren (z. B. Muvalaplin)
In ersten Studien konnten diese Substanzen den Lp(a)-Spiegel um 65–98 % senken. Eine breite klinische Anwendung wird in den kommenden Jahren erwartet.
Bis zur Zulassung neuer Medikamente bleibt die Lipid-Apherese die einzige effektive Möglichkeit zur Lp(a)-Reduktion. Dieses aufwendige Verfahren wird jedoch nur bei schwerer Atheroskleroseprogression trotz optimaler LDL-Senkung angewendet.
Fazit
Lp(a) ist ein entscheidender, oft unterschätzter Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine einmalige Bestimmung kann helfen, Hochrisikopatienten frühzeitig zu identifizieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Obwohl derzeit keine spezifische medikamentöse Therapie verfügbar ist, könnten neue Therapieoptionen in Zukunft das kardiovaskuläre Risiko durch selektive Lp(a)-Senkung deutlich reduzieren. Bis dahin bleibt die Lipid-Apherese die einzige zugelassene Methode zur Lp(a)-Senkung bei Hochrisikopatienten.
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