Vorsorge, Digitalisierung

Dr. Google & Co. – Fluch oder Segen?

Das Internet dient immer häufiger als Informationsquelle und Berater für gesundheitsbezogene Themen. Es ist jederzeit erreichbar, geduldig und liefert vermeintlich auf alles eine Antwort. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie mit überfüllten oder geschlossenen Arztpraxen und Krankenhäusern hat die Nutzung von medizinischen Online-Angeboten stark ansteigen lassen. Doch sind die gefundenen Informationen immer vertrauenswürdig, transparent und hilfreich oder werden vielmehr Verunsicherung und gefährliche Selbstdiagnosen gefördert?

Medizinischer Rat aus dem Internet

Die Digitalisierung ist, wie in fast allen Bereichen des täglichen Lebens, auch aus dem Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Projekte wie das nationale Gesundheitsportal des Bundesgesundheitsministeriums fördern die eigenständige Informationsbeschaffung von Patienten. Laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitcom recherchieren 62 % der Internetnutzer ihre Krankheitssymptome vor einem Arztbesuch im Netz. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist dieser Anteil deutlich gestiegen (2021: 56 %, 2020: 53 %). Auch im direkten Anschluss an einen Arzttermin wird das Internet von 63 % der Patienten zu Rate gezogen. Die Gründe für die Konsultation von „Dr. Google & Co.“ sind vielfältig: Einholen einer Zweitmeinung, Suche nach Behandlungsalternativen, Informationsinteresse, Nachvollziehen ärztlicher Diagnosen, Austausch mit anderen Betroffenen oder auch Beruhigung und Trost. Das medizinische Informationsangebot im Internet ist breit gefächert und stellenweise unüberschaubar. An erster Stelle in der Nutzungshäufigkeit stehen Gesundheitsportale, gefolgt von Online-Lexika wie z. B. Wikipedia und Online-Apotheken. Doch auch die Webseiten von Ärzten, Krankenhäusern oder allgemeine Ratgeber-Communitys werden regelmäßig besucht. Neben qualitativ hochwertigen, medizinisch fundierten Angeboten finden sich jedoch auch viele unseriöse Quellen mit gefährlichen Fehlinformationen.

Wie erkennt man seriöse Informationsquellen?

Laut einer repräsentativen Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung sind mehr als die Hälfte (52 %) der Internetnutzer mit den gefundenen Ergebnissen ihrer medizinischen Onlinerecherche „immer oder meistens zufrieden“. Doch können Patienten ohne medizinisches Fachwissen die Vielzahl an Informationen wirklich filtern und kritisch bewerten? Die Gesundheits- und Medienkompetenz des Nutzers spielt hier eine entscheidende Rolle. Eine präzise Suchanfrage gepaart mit dem Wissen, dass das Ranking der Suchergebnisse nichts über deren Qualität aussagt, sind eine erste wichtige Voraussetzung. Danach ist eine objektive Überprüfung der gefundenen Ergebnisse hinsichtlich Urheber, Qualitätssiegel, Quellenangaben und Aktualität notwendig. Auch die Ausgewogenheit der Informationen, die Einbindung von Werbung und nicht zuletzt der allgemeine Eindruck liefern Hinweise auf die Seriosität der Information.

Chance und Herausforderung für das Arzt-Patienten-Verhältnis

Das eigenständige Recherchieren von Patienten im Internet kann gewisse Vorteile mit sich bringen. Im Anschluss an eine ärztlich gestellte Diagnose können seriöse Informationsseiten Hilfestellung bieten und den Patienten souveräner und eigenverantwortlicher mit seiner Erkrankung umgehen lassen. Zudem können gut informierte Patienten ärztliche Aufklärungs- und Beratungsgespräche erleichtern bzw. verkürzen und ermöglichen zudem gemeinsame Entscheidungen auf Augenhöhe. Da es Laien jedoch häufig schwer fällt die Qualität und Vertrauenswürdigkeit von Suchergebnissen im Internet kritisch zu bewerten, kommt der Ärzteschaft hier eine wichtige beratende Funktion zu. Durch das Vermitteln seriöser Quellen und einen aktiven Austausch hierzu, kann das Arzt-Patienten-Verhältnis gestärkt und die Patientenzufriedenheit verbessert werden. Oftmals stehen Ärzte der digitalen Eigenrecherche von Patienten jedoch kritisch und teils ablehnend gegenüber. Wenn sich vor dem Praxisbesuch eine bestimmte Meinung bereits verfestigt hat, kann es für den Arzt einen erheblichen Mehraufwand an Zeit und Energie bedeuten, um den Patienten von der tatsächlichen Diagnose zu überzeugen. Stehen die gefundenen Informationen aus dem Internet nicht in Einklang mit der ärztlichen Meinung, kann das Arzt-Patienten-Verhältnis fälschlicherweise von Misstrauen geprägt sein. In einer repräsentativen Umfrage gaben 43 % der Befragten an, schonmal komplett auf einen Arztbesuch verzichtet zu haben, nachdem sie ihre Symptome eigenständig im Internet recherchiert hatten.

Gefahr von Selbstdiagnosen

Es kann nicht deutlich genug betont werden, dass der Arztbesuch und das persönliche Beratungsgespräch in keinem Fall durch eine Onlinerecherche zu ersetzen sind. Gesundheitsinformationen aus dem Internet können nur als vorbereitende oder ergänzende Hintergrundinformationen zum Arztbesuch dienen. Die fachgerechte medizinische Untersuchung, kompetente Interpretation von Laborergebnissen und korrekte Diagnosestellung sind fundamentale Grundlagen für eine erfolgreiche Therapie. Durch selbstgestellte Diagnosen besteht die Gefahr, dass notwendige Therapien nicht oder zu spät eingeleitet werden oder dass sogar gefährliche Selbstmedikationen erfolgen. Zudem können ungefilterte Informationen aus dem Internet zu Verunsicherung und Ängsten führen. Viele Erkrankungen haben ähnliche Symptome, sind aber in Schwere und Prognose völlig unterschiedlich. Ein harmloses, unspezifisches Symptom kann so fälschlicherweise schnell als Hinweis auf eine vermeintlich schwere und potentiell lebensbedrohliche Krankheit gedeutet werden. Der Entwicklung der sogenannten „Cyberchondrie“ wird so Vorschub geboten. Sie beschreibt eine abgewandelte Form der Hypochondrie: Die unbegründete Angst vor ernsthaften Krankheiten, basierend auf medizinischen Informationen aus dem Internet.

Fazit

Die Konsultation von medizinischen Webseiten durch Patienten nimmt stetig zu. Dies kann den Vorteil von gut informierten Patienten mit sich bringen, birgt jedoch auch die Gefahr von falschen Selbstdiagnosen und Verunsicherung. Die Suche auf Gesundheitsportalen im Internet sollte daher immer nur begleitend und ergänzend zum Arztbesuch stattfinden, diesen jedoch keinesfalls ersetzen.

Referenzen:

  1. Gesundheitsportal des Bundesministeriums für Gesundheit;  zuletzt abgerufen am 18.01.2023
  2. Bitcom e.V.: Viele Deutsche recherchieren ihre Krankheits-Symptome im Internet;  zuletzt abgerufen am 18.01.2023
  3. Link E., Baumann E. Nutzung von Gesundheitsinformationen im Internet: personenbezogene und motivationale Einflussfaktoren. Bundesgesundheitsbl 63, 681–689 (2020). 
  4. Bertelsmann Stiftung: Gesundheitsinfos: Wer suchet, der findet – Patienten mit Dr. Google zufrieden; zuletzt abgerufen am 18.01.2023
  5. Die Techniker: Sechs Tipps zur sinnvollen Nutzung von Dr. Google; zuletzt abgerufen am 18.01.2023
  6. Bitcom e.V.: 10 Hinweise zur Gesundheitsrecherche im Internet;  zuletzt abgerufen am 18.01.2023
  7. Van Riel N, Auwerx K, Debbaut P, Van Hees S, Schoenmakers B. The effect of Dr Google on doctor-patient encounters in primary care: a quantitative, observational, cross-sectional study. BJGP Open 2017;1(2):1-10
  8. Atlas Digitale Gesundheitswirtschaft: Dr. Google – ein zweifelhafter Kollege; zuletzt abgerufen am 18.01.2023
  9. Süddeutscher Rundfunk: „Dr. Google“ wird oft befragt – hilft aber selten; zuletzt abgerufen am 18.01.2023
  10. Ärzteblatt: Experten warnen vor Selbstdiagnosen im Netz; zuletzt abgerufen am 18.01.2023
  11. Ärzteblatt: Internetrecherche bei Gesundheitsfragen: Phänomen „Cyberchondrie“;  zuletzt abgerufen am 18.01.2023

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

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